Aufbruch: Mein Startpunkt
Es gibt Dinge im Lehrerleben, die vergisst man nie. Die erste eigene Klasse. Die erste Stunde, die völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Die erste Klassenarbeit, die man korrigiert hat. Und das erste Mal, KI im Schulalltag ausprobiert zu haben.
Na gut, vielleicht ist das nicht ganz so ein Meilenstein wie die anderen ersten Male. Aber für mich war es ein Moment, der vieles verändert hat. Ich war schon seit Jahren papierlos unterwegs, doch als ChatGPT im November 2022 plötzlich da war, habe ich gemerkt: Hier beginnt eine neue Etappe meiner digitalen Bildungsreise.
Erste Schritte: Was Kl für mich wirklich leistet
Ganz ehrlich: Unterrichtsplanung mit Kl ist nicht mein Ding. Auch wenn ich inzwischen weiß, wie man richtig gut promptet - es passt einfach nicht zu mir. Ich will meinen Unterricht selbst in der Hand behalten. Für mich ist Kl an einer anderen Stelle wertvoll:
- Inspiration statt Planung: Ich frage die KI, wie ich eine Aufgabe variieren kann, wie Feedback individueller formuliert werden könnte oder wie ich Schülern differenzierter Rückmeldung geben kann, passende Aufgaben... Keine Komplettlösungen, sondern Denkanstöße.
- Individuelles Feedback: Nach langen Korrekturtagen habe ich manchmal keine frischen Formulierungen mehr im Kopf. Kl gibt mir Impulse, wie ich differenzierter loben oder konstruktiver Rückmeldung geben kann. (Dazu lese ich übrigens nicht die Aufsätze meiner Schüler in ein KI Tool ein!) Und klar unterstützt mich Kl hier, aber die Note und die Rückmeldung gebe ich.
Es geht mir nicht darum, weniger zu tun, sich faul zurücklegen. Sondern darum, meine Energie dorthin zu lenken, wo ich sie in dieser Situation mehr brauche.
Stolpersteine: Fragen, die mich beschäftigt haben
Natürlich war und ist nicht alles einfach. Datenschutz zum Beispiel. Stimmen, Handschriften, Schülerdaten - darf ich das überhaupt verwenden? Anfangs - also Ende 2022 - habe ich überlegt: Brauche ich das wirklich? Aber meine Erfahrung ist: Mit klarer Haltung geht es. Ich nutze Kl bewusst anonymisiert, ohne sensible Daten. Und ich habe gemerkt: Ja, das ist machbar. Und es entlastet mich - aktuell der größte Mehrwert für mich von KI im Schulalltag.
Auch das Thema Urheberrecht hat mich beschäftigt: Wem gehören Texte, die KI erstellt? Wie transparent muss ich sein? All das gehört zu den offenen Fragen, die wir als Schule klären müssen.
Und nicht zuletzt: Skepsis im Kollegium. Viele sagen: „Das brauchen wir nicht." Ich verstehe das. Aber gleichzeitig sehe ich, wie Schüler längst mehrere Schritte voraus sind. Deshalb sage ich: Man muss KI nicht nutzen. Aber man muss wissen, wie sie funktioniert. Wer sich verweigert, verliert den Anschluss.
Schüler auf ihrer Reise begleiten
Ich habe schnell gemerkt - und aktuelle Umfragen bestätigen das: Meine Schüler nutzen KI sowieso. Die Frage ist nicht ob, sondern wie. Also habe ich angefangen, sie gezielt zu begleiten.
- Feedbackprompts: Entweder nutze ich Prompts, die ich selbst erstellt habe, nutze Chatbots zur Klassenarbeitsvorbereitung oder ich arbeite mit FelloFish. Die Schüler überarbeiten ihre Texte eigenständig, dokumentieren ihre Schritte und reflektieren ihre Fortschritte. Das funktioniert in allen Altersstufen - und die Rückmeldungen sind erstaunlich positiv. Meine Erfahrung: lieber weniger Tools, nicht jede Stunde KI - dafür gezielt!
- Grundlagen zuerst - Rules for Tools: Aber: Ohne Verständnis von Prompts geht es nicht. Deshalb erkläre ich, wie man einen Prompt sinnvoll aufbaut. Gerade bei Referaten, Seminararbeiten und größeren Projekten ist das entscheidend. Sonst sind Ergebnisse oft nicht bewertbar. Hier braucht es klare Leitplanken - am besten schulweit. Welche Tools sind erlaubt? Für welche Arbeitsschritte? Wie dokumentieren Schüler ihre Nutzung? Besonders bei Referaten und Seminararbeiten ist das zentral. Nur mit klaren Regeln lässt sich der KI-Einsatz fair bewerten.
- Kritischer Umgang: Für mich gehört es zur Aufgabe der Schule, dass Schüler nicht nur lernen, KI zu nutzen, sondern sie auch kritisch zu hinterfragen: Wie funktioniert sie? Welche Daten fließen wohin? Welche ethischen Fragen stecken dahinter? Erst dann lernen sie, verantwortungsvoll mit KI umzugehen.
- Hausaufgabenkultur: KI hat die Hausaufgabenkultur verändert. Früher war klar: Schreibe einen Aufsatz, lerne Vokabeln, erledige Übungen. Und ja, früher wurden die Hausaufgaben einfach vor dem Unterricht schnell abgeschrieben. Heute gehts noch schneller: Schüler können Kl nutzen, um Texte zu glätten, Ideen zu finden oder Erklärungen zu vereinfachen, sofort die Lösungen zur Matheaufgaben parat zu haben. Deshalb sage ich: Hausaufgaben müssen neu gedacht werden. Nicht Verbot, sondern Reflexion. Schüler müssen zeigen, was Kl beigetragen hat - und was sie selbst geleistet haben. Und für mich gehört hier auch dazu, dass wir genau in diesen Situationen auch den kritischen Umgang mit Kl beibringen.
Die Grundpfeiler für Kl im Bildungswesen
Wenn wir über KI im Bildungswesen sprechen, dann braucht es für mich klare Grundpfeiler. Ohne diese Säulen läuft die Diskussion Gefahr, einseitig zu bleiben. Ich sehe fünf Bereiche, die unbedingt berücksichtigt werden müssen:
- KI-Grundlagen - Schüler und Lehrkräfte müssen verstehen, wie Kl funktioniert. Ohne Basiswissen keine reflektierte Nutzung.
- Ethische Überlegungen - Datenschutz, Urheberrecht, Bias. Diese Fragen gehören ins Klassenzimmer und ins Kollegium.
- Kl für Lehrkräfte - Wo entlastet sie wirklich? Wie kann sie Ideen liefern, Feedback unterstützen, Differenzierung erleichtern?
- Kl im Unterricht & für Schüler - Vom Feedbackprompt bis zur kreativen Bildgenerierung: KI ist Werkzeug, Lernpartner und Diskussionsanlass zugleich.
- Kl und Bewertung - Welche Regeln brauchen wir für Hausaufgaben, Referate und Prüfungen? Wie bleibt Leistung vergleichbar und fair?
Diese Grundpfeiler helfen mir, die Debatte zu strukturieren und meinen eigenen Einsatz zu reflektieren.

Der neue Horizont: Schule im Wandel
KI verändert Schule nicht nur an der Oberfläche. Es geht tiefer:
- Hausaufgaben werden reflexiver.
- Referate verlangen Nachweise der Eigenleistung.
- Prüfungen verschieben sich weg von Reproduktion hin zu Transfer.
- Medienbildung wird erweitert um KI-Kompetenz: Datenschutz, Ethik, kritische Reflexion.
Das wirkt wie ein großer Umbruch - und das ist es auch. Aber es ist eine Chance, Schule neu zu denken.
Was Kl für mich bedeutet
Was bedeutet KI also für mich? KI ist mein Co-Pilot! Es bedeutet, dass ich souverän bleibe. Ich lasse mir Ideen geben, aber ich entscheide. Ich nutze Feedbackimpulse, aber ich formuliere. Ich nehme mir Zeit für das, was zählt: das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schüler. Denn - und da stimme ich John Hattie zu - das Entscheidendste für gelingendes Lernen bleibt die Lehrer-Schüler-Beziehung.
KI erleichtert, KI inspiriert, KI motiviert. Aber sie ersetzt uns nicht. Und das ist das Schöne: KI kann viel übernehmen. Aber das Wertvollste bleibt menschlich.
Dein nächster Schritt
Vielleicht fragst du dich: Und was heißt das jetzt für mich? Mein Tipp: Starte klein. Probiere einen Feedbackprompt. Hole dir Ideen für Differenzierungsaufgaben. Schau, wie es sich anfühlt, ob es zu dir passt.
Du musst kein Profi sein, um anzufangen. Aber du solltest anfangen - sonst verpassen wir alle den Anschluss. Denn neue Wege entstehen, indem wir sie gehen. Und diese Reise hat gerade erst begonnen.
Dabei geht es nicht um Technik um der Technik willen, sondern immer um die zentrale Frage: Wie gestalten wir unseren Schulalltag so, dass er zeitgemäß bleibt- und gleichzeitig zukunftsorientiert ist?
Susanne Jansen zu Gast im FelloFish Forum
Auch im FelloFish Forum spricht Susanne Jansen über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Schulalltag – mit vielen Praxisbeispielen, Aha-Momenten und kritischen Reflexionen. Parallel dazu gibt’s einen tiefgehenden Artikel in ihrem Blog: „KI im Schulalltag: Skepsis, Aha-Momente und neue Wege“ auf FelloFish.
Über die Autorin

Susanne Jansen ist seit über 18 Jahren Gymnasiallehrerin in Baden-Württemberg für die Fächer Deutsch, Geschichte und Medienbildung. Sie begleitet Schulen überregional als Fortbildnerin mit den Schwerpunkten der Schulentwicklung wie Binnendifferenzierung, digitale Medien und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Schulalltag. Auf ihrem Instagramkanal @digitale.bildungsreise teilt sie Erfahrungswerte, praxisnahes Wissen und Impulse rund um den digitalen Schulalltag mit Lehrkräften. Dabei verbindet sie ihre langjährige Unterrichtserfahrung mit ihrer Tätigkeit als Referentin, um moderne, zukunftsorientierte Lernkulturen zu fördern. Ihr besonderes Anliegen: Lehrkräften Mut machen, die Chancen von Digitalisierung und Kl bewusst zu nutzen - ohne dabei die zentrale Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung aus den Augen zu verlieren.