Growth Mindset matters – Wachstumsorientiertes KI-Feedback als Schlüssel in der (Lehrkräfte-)Bildung?

Growth Mindset matters – Wachstumsorientiertes KI-Feedback als Schlüssel in der (Lehrkräfte-)Bildung?

Von am 26.11.25
Inhalt

Digitale Denkwege in der (Lehrkräfte-)Bildung – Ein Praxisblick

Stellt euch vor: Mindset trifft auf KI und das Ganze im Stil des wachstumsorientierten Meta-Feedbacks – mit viel praktischer Übung!

In diesem Beitrag möchte ich euch von einer neuen Idee für die (Lehrkräfte-)Bildung berichten, die im Rahmen des 59. Seminartags des Bundesarbeitskreises (bak) Lehrerbildung e.V., der 2025 bei uns im Saarland stattfand, entstanden ist. Die Tagung stand unter dem Motto „Muster erkennen – Professionalisierung in der Lehrkräftebildung“. Ein idealer Rahmen, um über (Denk-)Haltungen, Feedback und die Rolle von KI in der (Lehrkräfte-)Bildung ins Gespräch zu kommen. Zum Thema „Growth Mindset in der Bildung – auf die (Denk-)Haltung kommt es an“ gestaltete ich hier zwei Workshops.

Im Mittelpunkt der Workshops standen zwei Leitfragen:

  • Wie können wir (angehende) Lehrkräfte dabei unterstützen, lernförderliches Feedback zu geben? Denn professionelles Feedback ist – und das ist ja längst kein Geheimnis mehr – nicht nur für die Gestaltung von erfolgreichen Schüler-Lehrer-Beziehungen, sondern auch für den gesamten Lernprozess zentral (Hattie, 2023; Hattie & Timperley, 2007; Wisniewski et al., 2020).
  • Welche Rolle spielen Growth Mindset und KI im professionellen Feedbackprozess? Ganz klar: Feedback ist ein Wachstumsbooster – wenn es klug gestaltet ist.

Aber fangen wir mal vorne mit einer Situation an, die manchmal im schulischen Alltag zu beobachten ist und die vielleicht auch einige von euch kennen:

Mindsets in der Schule, Amelie und das „gut gemeinte“ Feedback

Aus der Forschung wissen wir inzwischen recht gut: Lernende, die eher ein Growth Mindset (Dweck, 2006; 2023) entwickelt haben, die also überzeugt sind, dass sich ihre Fähigkeiten durch Anstrengung, adaptiven Strategieeinsatz und Unterstützung verbessern können, sind tendenziell motivierter und ausdauernder beim Lernen. Sie gehen konstruktiver mit Fehlern um und sehen diese als Helfer, also als wichtigen Teil des Lernens, nicht als Zeichen von „Dummheit“.

Ein Fixed Mindset, also die Überzeugung, dass Fähigkeiten mehr oder weniger feststehen, ist dagegen häufiger mit Vermeidungsstrategien, Leistungsangst und geringem Selbstwirksamkeitserleben verbunden. In der Folge zeigen die Schülerinnen und Schüler mit einer starren Denkhaltung auch eher schlechtere Leistungen (u.a. Yeager et al., 2019).

Alles in allem ist es daher wichtig, das richtige Mindset zu haben! In einer großen Schulleistungsstudie zeigte sich sogar, dass das Growth Mindset von Schülerinnen und Schülern tendenziell zur Reduzierung von sozialen Disparitäten und damit zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen kann (OECD, 2021).

Wie sich die Wirkung von Mindsets und Feedback im Schulalltag bemerkbar machen kann, lässt sich gut an Amelie aufzeigen:

Nach der Rückgabe einer Mathearbeit sitzt Amelie still an ihrem Platz. Eine 4 in Mathe. Wieder einmal. Die Lehrkraft bemerkt Amelies niedergeschlagenen Blick, geht zu ihr und sagt tröstend:

„Mach dir keine Sorgen wegen der 4 in Mathe, du bist einfach kein Mathe-Typ. Du bist ja super kreativ. Da liegen deine Stärken.“

Das Feedback ist offensichtlich gut gemeint. Die Lehrperson möchte Amelie trösten und ihre anderen Potenziale betonen. Gleichzeitig sendet sie jedoch auch unbeabsichtigt eine klare Botschaft: „In Mathematik gehörst du leider nicht zu den Starken – und das bleibt vermutlich so!“

Für Amelie kann daraus leicht eine starre Überzeugung werden wie: „In Mathe werde ich sowieso nie besser. Dann lohnt es sich gar nicht, mich anzustrengen.“

Und genau da wird es heikel. Solche Denkhaltungen entstehen nicht im luftleeren Raum. Wir Lehrkräfte beeinflussen mit unseren Erwartungen, Mindsets und unseren sprachlichen Feedbackbotschaften („Du bist nicht der Mathe-Typ.“) ein Stück weit, wie unsere Lernenden sich selbst und ihre Fähigkeiten sehen – festgeschrieben, wie bei Amelie, oder aber entwickelbar (u.a. Asbury & Carstensen, 2025; Fong et al., 2025; Simes-Muntoni et al., 2025).

Kurz gesagt: Feedbacksprache hat das Potenzial, ein Booster für Wachstum zu sein – oder eben nicht!

Aber wie können wir als Lehrkräfte so Feedback geben, dass unsere Schülerinnen und Schüler an sich selbst und ihre veränderbaren Fähigkeiten glauben? Indem wir die Haltung zeigen und rückmelden: „Du schaffst das vielleicht NOCH nicht, aber übe weiter!“ anstelle von „Du wirst das NIE können.“ Wir können sie also beim Wachsen und damit in ihrem Lernerfolg unterstützen.

KI-Feedback-Coaching: Meta-Feedback zum Feedback

Für den Workshop habe ich verschiedene KI-Tools, wie FelloFish so gestaltet, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops adaptives Meta-Feedback zu ihrer eigenen sprachlichen Feedbackkultur bekamen. Mit anderen Worten: Die KI-Coaches halfen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dabei, ihre Feedbacksprache so zu gestalten, dass sie wachstumsorientiert und motivierend ist!

Die Grundidee ist simpel, aber wirkungsvoll:

In simulierten Unterrichtssituationen konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops üben, auf typische lernhemmende Äußerungen von Schülerinnen und Schülern – zum Beispiel auf Frust oder Traurigkeit nach einer schlechten Note, auf Ratlosigkeit bei einer komplexen Aufgabe oder auf Unsicherheit vor einer Klassenarbeit – wachstumsorientiertes Feedback zu geben. Dieses Feedback wurde von den KI-Coaches analysiert – nicht, um sie als „richtig“ oder „falsch“ abzuhaken, sondern um sichtbar zu machen, welche Elemente einer wachstumsorientierten Feedbacksprache bereits angewendet werden und wo genau noch Luft nach oben ist. Sie bekamen also Meta-Feedback zu ihrem Feedback. In Interaktion mit den KI-Coaches konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Schritt für Schritt ihre professionelle Feedbacksprache reflektieren, aufbauen und sicherer in deren Anwendung werden.

Als Feedbackkriterien habe ich die KI-Tools mit den empirisch validierten Kriterien der Growth Mindset Supportive Language (GMSL) (Handa et al., 2023; angepasst Böhmer & Böhmer, in Vorb.) „gefüttert“ (Abbildung 1):

Abbildung 1: Feedbackkriterien
Abbildung 1: Feedbackkriterien

Im Meta-Feedback an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde etwa zurückgemeldet, wenn eine Antwort bereits „Empathische Validierung“ zeigte, das Kriterium „Denkweg verstehen“ jedoch fehlte. Die KI-Coaches gaben dazu konkrete praxisnahe Umsetzungshinweise. Auch wurde vorgeschlagen, wie sich eine eher knapp-korrektive Rückmeldung sprachlich in Richtung Growth Mindset öffnen ließe, orientiert an den GMSL-Feedbackkriterien. So erlebten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops adaptiv und sehr konkret, wie ihre Feedbacksprache mit KI-Coaches verbessert werden kann. Die folgenden Abbildungen verdeutlichen exemplarisch den Prozess des Meta-Feedbacks der KI-Coaches (hier beispielhaft aufgezeigt mit FelloFish): Zunächst erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein erstes Meta-Feedback (Abbildung 2) bezüglich der Umsetzung der einzelnen Feedbackkriterien der GMSL: die Kriterien „Empathische Validierung“ und „Neubewertung von Emotionen“ sind enthalten, andere werden zur weiteren Bearbeitung vorgeschlagen (z.B. Kriterium „Denkweg verstehen“, siehe Abbildung 3).

Abbildung 2: erstes Metafeedback
Abbildung 2: erstes Metafeedback

Die folgende Abbildung verdeutlicht das KI-Meta-Feedback für das Kriterium „Denkweg verstehen“ (Abbildung 3).

Abbildung 3: Analyse der einzelnen Kriterien mit potenziellen Verbesserungsvorschlägen, hier Kriterium Denkweg verstehen
Abbildung 3: Analyse der einzelnen Kriterien mit potenziellen Verbesserungsvorschlägen, hier Kriterium Denkweg verstehen

Nach jeder Veränderung des eigenen Textes konnte die Teilnehmerin oder der Teilnehmer ihr Feedback aktualisieren und bekam weiteres adaptives Meta-Feedback vom KI-Coach (Abbildung 4).

Abbildung 4: Weitere Feedback-Iterationen
Abbildung 4: Weitere Feedback-Iterationen

So wurde Stück für Stück das lernförderliche Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausführlicher und wachstumsorientierter.

Eine Teilnehmerin des Workshops hat ihr Lernen so zusammengefasst:

„Mir war vorher zwar klar, dass mein Feedback wichtig ist, aber echt nicht ganz klar, wie viel meine genaue Wortwahl ausmacht. Durch die Rückmeldungen der KI-Coaches habe ich gemerkt, dass schon kleine Veränderungen mein Feedback völlig anders wirken lassen – eben wachstumsorientiert und nicht defizitorientiert!“

Fazit: KI-Tools als innovativer Laborraum für wachstumsorientiertes Feedback

Im Kontext der (Lehrkräfte-)Bildung könnten KI-Tools ein Laborraum sein: ein Ort, an dem (angehende) Lehrkräfte zunächst erproben können, wie KI sie adaptiv unterstützt – ihre Feedbackpraxis kritisch zu reflektieren, bewusster und wachstumsorientierter zu gestalten, eine entsprechende Haltung zu entwickeln und diese später im schulischen Kontext gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern wirksam zu leben. Stichwort: wachstumsorientierte Lern- und Schulkultur. Die Verbindung von GMSL und KI könnte eine tragfähige Grundlage sein, um über „gutes Feedback“ nicht nur theoretisch und empirisch, sondern auch praktisch-konkret weiter ins Gespräch zu kommen, es tatkräftig gekonnt umzusetzen und so einen möglichen Beitrag zur innovativen Professionalisierung in der Lehrkräftebildung zu leisten. Eine kürzlich erschienene Metaanalyse von Kaliisa et al. (2025) betont, dass sich KI-generiertes Feedback und menschliches Feedback qualitativ kaum unterscheiden. Wenn Feedback gut gestaltet ist, perfekt!

Auch die Wirkung von adaptivem, personalisiertem KI-Feedback in der (Lehrkräfte-)Bildung steht derzeit im Mittelpunkt von Forschungsarbeiten (u.a. Bauer et al., 2025). Natürlich darf über alldem nicht vergessen werden, dass Professionalisierung in der Lehrerbildung nicht nur von individuell adaptiven KI-gestützten Anwendungen lebt, sondern ganz stark von gemeinsamem, dialogischem Lernen – von Seminargesprächen, praxissimulierenden Rollenspielen, kollegialer Fallberatung, gemeinsamer Reflexion und echten Beziehungserfahrungen.

Am Ende ist es vielleicht die Mischung aus individuell zugeschnittenen, personalisierten KI-Impulsen und lebendigen sozialen Lern- und Reflexionsprozessen, die Potentialentfaltung im Kontext Bildung nachhaltig macht.

Literatur

Asbury, K. & Carstensen, B. (2025). Ein Growth Mindset fördert den Lernerfolg. Bildung. Table. https://table.media/bildung/tablestandpunkt/ein-growth-mindset-foerdert-den-lernerfolg

Bauer, E., Sailer, M., Niklas, F., Greiff, S., Sarbu-Rothsching, S., Zottmann, J. M., Kiesewetter, J., Stadler, M., Fischer, M. R., Seidel, T., Urhahne, D. & Fischer, F. (2025). AI-based adaptive feedback in simulations for teacher education: An experimental replication in the field. Journal of Computer Assisted Learning, 41(1), e13123.

Böhmer, I. & Böhmer, M. (in Vorbereitung). Chat GPT als KI-Feedback-Coach für die Growth Mindset Supportive Language im Bildungskontext.

Dweck, C. S. (2006). Mindset: The new psychology of success. Random House.

Dweck, C. S. (2023). Mindset: The updated edition. Random House.

Fong, C. & Muenks, K., Fathi, Z., Adelugba, S. F., O´Grady, M. C. in, S., & Goldstein, M. C. (2025). Do socializers´ mindset beliefs matter for student mindset and achievement? A meta-analysis. Learning and Individual Differences, 121.

Handa, K., Clapper, M., Boyle, J., Wang, R. E., Yang, D., Yeager, D. S. & Demszky, D. (2023). “Mistakes help us grow”: Facilitating and evaluating growth mindset supportive language in classrooms. arXiv preprint arXiv:2310.10637.

Hattie, J. (2023). Visible learning: The sequel. Routledge.

Hattie, J. & Timperley, H. (2007). The power of feedback. Review of Educational Research, 77(1), 81–112.

Kaliisa, R., Misiejuk, K., López-Pernas, S. &, Saqr. M. (2025): How does artificial intelligence compare to human feedback? A meta-analysis of performance, feedback perception, and learning dispositions, Educational Psychology, 1-32.

Simes-Muntoni, F., Dunekacke, S. Heinze, A. & Reteilsdorf, J. (2025). „Jungs sind besser in Mathe“ – Geschlechterstereotype von Grundschullehrkräften und Erwartungseffekte für Mädchen und Jungen in Mathematik, Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 28:1123-1145.

OECD. (2021). 21st-century readers: Developing literacy skills in a digital world. OECD Publishing.

Wisniewski, B., Zierer, K., & Hattie, J. (2020). The Power of Feedback Revisited: A Meta-Analysis of Educational Feedback Research. Frontiers in Psychology, 10:3087.

Yeager, D. S., Hanselman, P., Walton, G. M., Murray, J. S., Nosek, B. A., Kraft, M. A., Duckworth, A. L., et al. (2019). A national experiment reveals where a growth mindset improves achievement. Nature, 573 (7774), 364–369.

Zur Person

Ines Böhmer* ist Lehrerin im Saarland und unterrichtet dort an verschiedenen beruflichen Schulen angehende Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger sowie das Fach Pädagogik/Psychologie in der Gymnasialen Oberstufe mit berufsbezogener Fachrichtung Gesundheit und Soziales. Darüber hinaus ist sie als Fachleitung im Fach Sozialpädagogik am Studienseminar für berufliche Schulen im Saarland, Bildungscampus Saarland tätig. Vor ihrer schulpraktischen Tätigkeit war sie lange Zeit in der empirischen Bildungsforschung an der School of Education der Bergischen Universität Wuppertal aktiv. Hier forschte sie als Psychologin für und mit Lehrkräften zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften, Stereotypen sowie zur professionellen Gestaltung des Übergangs von der Grundschule in die weiterführende Schule im Sinne der Bildungsgerechtigkeit.

* Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung der Verfasserin an.